Die Reifeprüfung
Sonntag Aktuell, Januar
Hier läuft was schief. „Golf spielen lernt man nicht in einer Woche“, sagt uns Franz Strauss. Der Mann, der uns das große Spiel mit dem kleinen Ball beibringen soll, blickt in fragende Gesichter.
Hat er das Prospekt seines Auftraggebers nicht richtig gelesen ? Wie hieß es das doch gleich im Programm Golf und fun ? „Platzreife mit 100 Prozent Erfolgsgarantie“, steht da schwarz auf weiß. Doch bevor einer die Frage formuliert, kommt schon die Antwort: Natürlich werdet ihr die Platzreife schaffen. Aber die Vorraussetzung dafür ist, dass ihr erst mal Spaß am Golfspielen findet. Und damit ist er wieder hundertprozentig auf der Linie des Veranstalters.
Christian Bauer vom Veranstalter Reisecenter Piding nennt das Programm nicht umsonst Golf und fun: „Wir wollen unseren Kunden keinen Leistungsdruck aussetzen. Denn ohne diesen Druck fällt das lernen leichter und das Lernergebnis wird besser. Bei uns steht der Spaß am Golfen im Vordergrund.“ Die Vorraussetzungen sind jedenfalls da. Dafür sorgen die Menschen im und um den Club.
Der Golfclub Drachenwand im Herzen des Salzkammergutes verfügt zwar nur über einen Neun-Loch-Golfplatz, doch dafür bietet er eine traumhafte Kulisse. Auf einer leichten Anhöhe gelegen, hat der Golfspieler einen herrlichen Blick auf den Mondsee und dabei die mächtige Felswand, die den Club den Namen gab, im Rücken.
Aber zunächst haben wir nur Augen und Ohren für Herrn Strauss, den hier alle nur Franz nennen. Franz ist Golf-Pro. Pro wie Professional. Was nichts anders bedeutet, als das der gebürtige Bayer das Golfspiel zum Beruf gemacht hat. Er braucht für eine 18-Loch Runde, für die hier 68 Schläge vorgegeben sind auch tatsächlich nur 68 Schläge und hat somit das Handicap null. Davon sind wir Novizen noch Lichtjahre entfernt. Unser Ziel ist die Platzreife, die mit dem Handicap 54 gleichzusetzen ist. „Das schafft`s schon“, sagt Franz, dessen herrausstechende Eigenschaft unendlich Geduld ist. Immer wieder korrigiert er mein Set-up, wie er die Grundposition des Spielers nennt: Beine hüftbreit auseinander, Füße parallel, Knie leicht gebeugt. Stimmt das, dann habe ich bestimmt den Schläger falsch in der Hand. Oder die Gewichtsverlagerung stimmt nicht. Oder ich führe den Schwung nicht zu Ende. Es ist zum Verzweifeln. Franz ist anderer Meinung: “So schlecht stellst dich gar nicht an“.
Immerhin, so meint er, sei Golf nach dem Stabhochsprung die Sportart mit der zweitschwierigsten Technik. Besonders das lange Spiel, das wir auf der Driving - Range- dem Trainingsgelände für die Abschläge - üben, ist eine echte Herausforderung. Meistens klappert es, wenn ich den Ball treffe. Dann rollt er fünf bis zehn Meter weit weg von den Kunstrasen, auf dem ich den Abschlag übe.
Aber auf einmal, ich weiß nich warum, höre ich ein sattes Plopp. Mein Schläger, das geschätzte Eisen sieben, hat den kleinen weißen all voll getroffen. Er fliegt und fliegt und landet erst hinter dem weißen Schild der 100.Meter.Marke. Ein gigantisches Erfolgserlebnis. Da schmeckt das Abendessen im Restaurant Drachenwand gleich noch mal so gut. Das will was heißen, denn das Team um die Wirtsleute Erika und Gerald Kienesberger versorgt uns hervorragend.
Das gilt nicht nur für die Verpflegung. Auch eine kleine Seelenmassage zur richtigen Zeit ist im Reisepreis mit enthalten.“Komm, jetzt trinkst erst mal was“, heißt es, wenn einer mit versteinerter Miene das Clubhaus betritt. Das es mit dem Chippen, Pitchen oder Putten nicht klappt, das passiert selbst versierten Profis, tröstet Gerald Kienesberger. Aus eigener Erfahrung meint er : in keiner Sportart liegen Euphorie und Frust so nahe beieinander wir beim Golf. Stimmt.
Das merke ich am letzten Tag. Praktische Prüfung bei einer Platzrunde zur Platzreife. Das sind auf der Golfanlage des Clubs Drachenwand genau 2588 Meter vom Abschlag an Loch eins bis zum Grün bei Loch neun. Nach der erfolgreich absolvierten Theorieprüfung am Vorabend gelingen mir Dinge, bei denen ich unter der Woche noch der Verzweiflung nahe war. Etwa der Abschlag oder das Chippen, also die flache Annäherung an das Grün.
Dagegen happerts beim Putten, als beim Einlochen des Balles aus kurzer Distanz. Hier war ich unter der Woche Trainingsweltmeister. Das weiß auch Franz, weshalb er mir am Ende der Platzreifeprüfung mitteilt:“Das passt schon“. Prüfung bestanden, heißt das. Aus lauter Freude drehe ich mit Stefanie und Andreas, einem golfenden Paar aus Dortmund, noch eine Runde.
Dabei treffe ich keinen Ball mehr. Und wenn, dann versenke ich ihn in ein wasserhindernis. So nennt der Golfer einen See. Oder aber der verflixte kleine Ball fliegt irgendwo ins Rough – vulgo Pampa. Jetzt begreife ich, was Franz am Anfang der Golfreise gesagt hat.
In einer Woche lernt man nicht Golf spielen.
Autor: Martin Häußermann